B wie Bleib daheim

Was mache ich eigentlich den ganzen Tag? Ich schrieb ja schon, dass ich die Einschränkungen in meinem täglichen Leben gar nicht so sehr spüre, im Vergleich mit „vor Corona“ hat sich bei mir daheim nicht viel verändert. Nur dieses komische Gefühl…

Heute schreibe ich mit, wie ein Tag bei mir zu Hause (Single-Haushalt, HomeOffice seit Jahren) aussieht.

6:30 Uhr    Aufwachen ohne Wecker. Überlegen, ob ich aufstehen soll oder mich nochmals auf die andere Seite drehe. Aufstehen. Erste Wege in der Wohnung: Balkontür auf, dann aufs Klo. Juhu, es ist genug Klopapier da! Die kleinen Freuden sind doch so schön!

6:35 Uhr bis irgendwann zwischen 7:00 und 7:30     Kaffee und langsam in die Gänge kommen. Balkontür zumachen. Keine Nachrichten anschauen! Stattdessen Enkel-Videos und Enkel-Fotos gucken, Auftragslage checken. Feststellen, dass in neun Monaten Weihnachten ist.

8:00 Uhr     Rechner einschalten, nochmals auf die Auftragsliste schauen, feststellen, dass ich um 9:00 was fertig haben muss, Schlusskorrektur fehlt. Und noch ein weiterer Auftrag bis irgendwann heute Nachmittag. Den ersten Auftragstext nochmal durchlesen, nette Grüße dazu schreiben und wegschicken.

8:10 Uhr     zweiter Kaffee, Mail an großen Enkel schreiben, WhatsApp-Nachrichten beantworten. Eine liebe Freundin macht momentan Videos für das Montessori-Kinderhaus, in dem sie arbeitet. HomeOffice mal anders – ich durfte einen Blick in ein spannendes Frosch-Projekt werfen. Danke!

9:00 Uhr      Text über „Urlaubsfeeling mit exotischen Wandtattoos“ verfassen. Na, das passt doch zur aktuellen Lage. Vermutlich werden wir heuer alle unseren Urlaub daheim verbringen. Bei schönem Wetter auf Balkonien und im Garten, sofern vorhanden, bei Regenwetter mit Sicht auf ein exotisches Wandtattoo.

10:00 Uhr      Pressekonferenz des Robert-Koch-Instituts anschauen. Heute jedoch nicht, kommt nur noch Montag, Mittwoch, Freitag. Fernseher sofort wieder ausschalten, nicht zu OE24.at wechseln! Für manche Sender ist die derzeitige Lage ja ein gefundenes Fressen. „Hier die neuesten Nachrichten! Alle Infektionen, alle Horrorbilder, alle Toten!“ Nein danke. Falls ich doch hängenbleibe: Da spaziert eine Möchtegern-Reporterin durch das leere Wien und stellt fest, dass die Wiener Linien jetzt in größeren Abständen fahren. O-Ton: „Die Intervalle werden kürzer!“ Nein, sie werden länger. Aber macht ja nix, wir bleiben eh daheim, da ist es egal, in welchen Abständen die U-Bahn fährt.

10:30 Uhr     Hunger, Zeit fürs Frühstück, hartgekochtes Ei, Brot mit Kräuterfrischkäse und Gurke. Große Kanne Tee kochen, Wasserkaraffe auffüllen, dann weiterschreiben.

13:00 Uhr     Auftrag fertig, Mittagspause, zwei Orangen essen. Zu müde für irgendwas Produktives. Eigentlich wollte ich raus, aber jetzt mag ich doch nicht. Mittagsschlaf mit Buch, derzeit „Ein Tod ist nicht genug“ von Peter Swanson. Guter Krimi, spannend, aber kaum brutal. Ich schaffe Seite 197 bis 234, dann schlafe ich ein.

16:00 Uhr     dritter Kaffee, zwei Maoam als Kuchenersatz. Aufräum- und Aussortierstunde. Nachdem mit viel Glück heuer ein Umzug ansteht, muss ich Sachen loswerden, die ich schon länger nicht mehr brauche. Heute zwei Schubladen einer Kommode in Angriff nehmen. Ach ne, ich hab jetzt doch keine Lust. Lieber noch ein bisschen weiterlesen.

18:00 Uhr     Balkonklatschen! Ja, das ist jetzt in der zweiten Woche der Ausgangsbeschränkung in Ö ein wichtiger Bestandteil des Tages. Beim allerersten Mal waren wir nur wenige. Der Sinn dahinter soll ein Dankeschön an alle sein, die in den sogenannten „systemrelevanten“ Berufen arbeiten. Bei mir gehen fast alle Balkone in den großen Innenhof. Draußen auf der Straße hört man von unserem Applaus wahrscheinlich nichts oder nicht viel. Aber: Als wir das erste Mal klatschten, rief eine Nachbarin vom dritten Stock herunter: „Danke! Ich arbeite beim Billa!“ Ich war vorher skeptisch, ob solche Aktionen wirklich was bringen. In diesem Moment war mir jedoch klar: Ja, tun sie. Inzwischen ist der tägliche lautstarke Applaus in meiner Wohnanlage für uns alle, die wir hier wohnen, ein Zeichen des Zusammenhalts. Vor allem die vielen Kinder sind mit Begeisterung dabei. Wir klatschen, winken, lachen und rufen uns von Balkon zu Balkon gute Wünsche zu. Schön!

Ich stelle mir das sehr schwierig vor, mit Kindern über Wochen in der Wohnung zu bleiben. Wenn dann noch HomeOffice und HomeSchooling dazu kommen, trifft vermutlich oft dieser Satz zu: Daheim bleiben, daheim arbeiten und gleichzeitig Kinder mit Schulstoff beschäftigen gleicht dem Versuch, bei Orkan ein Zelt aufzustellen. (Woanders gelesen, für gut befunden und geklaut.)

Wie ein Teil meiner Familie mit der Herausforderung umgeht, lässt sich HIER nachlesen. Ich habe jedenfalls großen Respekt vor allen, die sich momentan durch diverse Schwierigkeiten wurschteln!

18:32 Uhr     Sohn aus Augsburg schickt tägliches Abend-Video vom jüngsten Enkel, der irgendwelche Sachen durch die Gegend wirft. Begleittext: „Der erste dreht hier schon durch“ mit Grinse-Smiley. Mehrfach Video angucken, andere Enkel-Videos und Fotos anschauen. Schön, dass es euch gibt!

19:10 Uhr     Abendessen. Zwei Weißwürste, süßer Senf, Laugenstangerl, Tomatensalat, Vanillejoghurt.

20:00 Uhr      Telefonat mit Freundin, Austausch von Neuigkeiten, Ängsten, Sorgen, Traurigem und Lustigem.

22:00 Uhr      noch bisserl fernsehen, hin und her zappen, Sender ohne Corona suchen, stricken, Tee mit Rum. Um die Schokoladenschachtel herumschleichen. Stattdessen noch einen Apfel essen.

Irgendwann    vor dem Fernseher einschlafen, oder im besseren Fall, rechtzeitig ins Bett finden.

Daheim bleiben ist also gar nicht so schwer, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Nur ist das halt nicht überall der Fall. Dazu mehr im nächsten Blogpost C wie Caritas.

Bleibt gesund!

 

 

 

 

 

 

 

A wie Abgesagt

… und A wie Anstoß, meinen seit dreieinhalb Jahren brachliegenden Blog neu zu beleben. Den Anstoß (1) gab gestern die Tatsache, dass ein Teil meiner Familie jetzt auch bloggt. Anstoß (2) sind die derzeitigen Ereignisse. Vielleicht nicht schlecht, hier mal Erlebnisse und Gedanken festzuhalten.

Vor 13 Tagen, am 9. März, war ich abends bei Tochter, Schwiegersohn und den beiden großen Enkeln. Häufiger als in den Wochen davor redeten wir über Corona. Aber irgendwie war das Thema trotzdem noch nicht so präsent wie jetzt.

Wir überlegten noch, ob man Quarantäne „Karantäne“ oder „Kwarantäne“ ausspricht (erstes ist richtig). Wir redeten über vielleicht notwendige Vorratshaltung. Ich kann nur für mich sprechen: Ich spürte eine Verunsicherung und Ungewissheit, aber keine allzu große Beunruhigung.

Der nächste Einsatz zum „auf die Jungs aufpassen“ war für den 19. März geplant. Dazu kam es nicht. Seitdem verändert sich die Lage laufend. Jetzt ist daheim bleiben angesagt, das öffentliche Leben steht teilweise still und ist so ungewöhnlich wie noch nie zuvor. Es hagelte Absagen, Schulschließungen, Einschränkungen.

Wenn ich am Schreibtisch sitze, sehe ich in den Innenhof meiner Wohnanlage mit Grünflächen und Spielplatz. Sonst ist draußen immer viel los, manchmal zu viel (und zu laut). Am 12. März war es ruhig, aber mir fielen mehrere Nachbarn auf, die vollbepackt vom Einkaufen kamen. Mir wurde langsam klar, dass das der Auftakt zu den berühmt-berüchtigten Hamsterkäufen war.

Ich habe bisher einmal in meinem Leben leergekaufte Supermärkte erlebt. Das war 1986, der Anlass war die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Allerdings kann ich mich nicht erinnern, dass irgendjemand damals Klopapier gekauft hätte! Zu den absoluten Rennern zählten haltbare Milch und andere Milchprodukte mit einem möglichst langen MHD. Tiefkühlkost, Obst- und Gemüsekonserven waren ebenfalls ratzfatz weg.Wir fuhren in diesem Jahr im Frühsommer an den Gardasee und hatten zwei Kartons H-Milch dabei.

Die Kinder sollten nicht raus. Meine beiden Großen waren 4 und 5, ich war schwanger. Die radioaktive Wolke zog über Bayern – und ich spürte eine diffuse Angst, obwohl oder vielleicht gerade WEIL nichts von der Bedrohung zu sehen, zu hören und zu riechen war.

Wir lernten viele neue Wörter, von Becquerel über Sievert bis Halbwertzeit. Ich hätte vielleicht doch im Physikunterricht besser aufpassen sollen? Jetzt, 34 Jahre später, muss ich feststellen, dass auch Elemente des Mathematikunterrichts plötzlich wieder auftauchen. Das hätte ich nie gedacht, dass ich mich nochmal mit so Zeug wie Exponentialfunktionen beschäftige.

Mir ist klar, dass sich Tschernobyl und Corona nicht miteinander vergleichen lassen. Wir sind damals heil aus der Sache rausgekommen, viele, viele andere Menschen, die viel näher dran waren, nicht. Und natürlich macht das einen Unterschied: Wie nahe ist die Katastrophe, wie ernst ist die Lage direkt in meiner Umgebung?

Zurück ins Hier und Jetzt: Was hat sich bisher für mich geändert? Nicht allzu viel. Ich arbeite schon seit Jahren zu Hause. Ich bin es gewohnt, allein zu leben, mir ist fast nie langweilig – eher im Gegenteil, oft reicht mir die Zeit nicht für alles, was ich machen will. Ich darf noch raus, was ich zum Spazierengehen allein auch nutze. Der große Spielplatz vor meinen Fenstern ist leer, mit Absperrband dekoriert. Ja, der Lärm war hier in den vergangenen Sommern oft extrem. Aber jetzt wünsche ich mir den ganz normalen Krach schon fast zurück – als Zeichen der Normalität, die uns allen abhanden gekommen ist.

Schwierig ist für mich der Umgang mit dem „ich darf nicht, ich soll nicht“. Der Kopf sagt JA, das ist richtig und wichtig. Mein Herz sagt: „Wann sehe ich meine Kinder und Enkel wieder, wann kann ich in die alte Heimat auf Besuch fahren?“ Momentan spielt es keine Rolle, dass zwei Enkel nur ein paar hundert Meter entfernt wohnen und zwei 500 Kilometer weit weg sind. Alle sind gleich weit weg. Und doch: Nah! Wir halten zusammen, wir schicken Nachrichten, Mails, Fotos und Videos, wir telefonieren.

Die erste Woche in häuslicher Isolation habe ich gut überstanden. Husten und Schnupfen kommen wohl eher von den herumfliegenden Pollen, es fühlt sich genauso an wie in jedem Frühling. Für die nächste Woche habe ich mir selbst ein wenig Nachrichtenabstinenz verordnet, eine Beschränkung auf morgens und abends, nicht mehr diese Dauerbeschallung auf diversen Kanälen.

So, das war jetzt mal der Wiedereinstieg in die Bloggerei. Ich sammle diesen und die kommenden Beiträge unter der Kategorie „Ciao Corona“. Mit der Hoffnung, dass wir alle irgendwann zu diesem Virus „Ciao“ sagen können.

Bleibt zu Hause, bleibt gesund!

 

 

 

 

 

 

X-ter Anlauf zur Bundespräsidentenwahl

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Also, wir Anläufe müssen ja zusammenhalten. Auch wenn sich mancher Anlauf wiederholt zum Gespött in der außerösterreichischen Welt macht – ich hab Mitleid mit allen, die viele Anläufe brauchen. Es gibt ja auch sooo viele Gründe, neu Anlauf zu nehmen! Anfechtung und sich von allein öffnende Briefwahlkuverts sind nur zwei davon. Stellt euch vor, heute wäre nicht der 12. September 2016, sondern … naja, sagen wir mal, sieben bis elf Monate später. Bis dahin sind noch mehrere Versuche, in Ö endlich einen Bundespräsidenten zu wählen, gründlich in die Hose gegangen.

Verschiebegründe:

  • Anfechtung
  • zum falschen Zeitpunkt stattfindende, selbsttätige Öffnung der Briefwahlkuverts (obwohl es sich dabei angeblich um technisch hochkomplexe Kuverts gehandelt haben soll)
  • tiefe Grabenkämpfe zwischen UHU, PATTEX, TESA und TIXO unter Beteiligung von Holzleim und Tapetenkleister, betreffend ein eventuelles Kuvertsponsoring
  • Blockierung der Druckerei durch die Identitären, ausgerüstet mit Klebestiften, getarnt als Kunstaktion
  • Durchführung der Wahl am 4. Dezember
  • Anfechtung am 5. Dezember durch den Nikolo mit Unterstützung der Grünen, weil: Man hätte statt irgendwelcher Kuverts lieber Jutesackerl verwenden sollen.
  • Wahlwiederholung am 29. Februar 2017
  • Anfechtung der Wahl, weil: Das Datum 29. Februar ist in 2017 überhaupt nicht verfügbar.

Liste wäre beliebig fortführbar, aber HALT:

Im März 2017 wird in Österreich ein neues Wahlrecht beschlossen und verkündet.

AB SOFORT wird weder an der Urne noch per Briefwahl gewählt. Bei beiden Möglichkeiten handelt es sich um nicht mehr zeitgemäße Verfahren. Die Österreicher*innen wählen jetzt  mit Naturalien. Gestattet ist die Stimmabgabe mittels Überbringen von Obst und/oder Gemüse ins Wahllokal. Wer sein Obst oder Gemüse nicht persönlich hinbringen kann, darf einen Obst-/Gemüse-Boten beauftragen. Wer sich im Ausland aufhält, muss sein Obst oder Gemüse rechtzeitig auf den Post-/Luft-/Schiffsweg bringen.

Das abgegebene/geschickte Obst/Gemüse wird nicht gezählt, sondern gewogen. Wahlsieger ist der Kandidat, der den größten/schwersten Obst-/Gemüse-Haufen für sich beanspruchen kann.

Aber Achtung!

Für die Gültigkeit zählt – und das ist enorm wichtig! – dass das richtige Obst/Gemüse verwendet wird.

Einheimische Sorten! „Unser Obst für unsere Leut'“, so viel Patriotismus muß schon sein. Also keine Bananen, außer der/die Wähler*in wohnt in einer Region mit sehr mildem Klima und hat eine ertragreiche eigene Bananenzucht. Vielleicht in einem kleinen Gewächshaus, dann gehen Bananen. Sonst nicht!

Am Obst oder Gemüse muss ein Zettel hängen, der das bevorzugte Wahlobjekt eindeutig kennzeichnet, damit die Früchte des Feldes richtig zugeordnet werden können. Eine dringende Bitte an alle Wähler*innen: Unbedingt nur gleich große und gleich schwere Zettel verwenden, sonst Anfechtung!

Wer sein Obst oder Gemüse darüber hinaus beschriften möchte, achtet bitte auf landestypische, regional korrekte Bezeichnungen. Erlaubt sind Paradeiser, Ribiseln, Fisolen, Marillen, Karfiol, Erdäpfel usw., keine Tomaten, Johannisbeeren, Bohnen, Aprikosen, Blumenkohl, Kartoffeln (Anfechtungsgefahr)!

Zu bevorzugen sind rote und grüne Gemüse- und Obstsorten. Keine Avocados, weil: 1. aus dem Ausland, 2. brauner Kern!

Wer unbedingt tiefbraune Früchte abgeben will, kann Maroni verwenden.

Und bitte: Niemals Gemüse und Obst in den Briefkasten quetschen! Auch wenn am Postkastl außen ein Aufkleber pickt, auf dem steht: „Hier können Sie rund um die Uhr wählen“ – das gilt NICHT für die Naturalienwahl!

Im Wahllokal kommen alle Obst- und  Gemüsespenden auf eine große Waage. Links ist die Waagschale für den Kandidaten VdB, rechts – wo sonst – die Waagschale für den Kandidaten H. Statt Wahlbeisitzern müssen Waagenbeisitzer anwesend sein. Die Waagen müssen ordnungsgemäß geeicht sein (sonst Anfechtung) und die Waagenbeisitzer müssen während des gesamten Vorgangs – von der Entgegennahme des Obsts und Gemüses bzw. Öffnen des Päckchens mit Gemüse oder Obst bis zum abgeschlossenen Wiegevorgang – anwesend sein (sonst Anfechtung).

Am Ende des Tages – hach, endlich darf ich auch mal so eine bescheuerte Formulierung schreiben – wird ein Wiegeergebnis und damit auch ein (vorläufiges) Wahlergebnis feststehen. Allerdings ist einiges Obst und Gemüse dann sicher schon faul, hat die Konsistenz und damit das Gewicht verändert. Also: Anfechtung.

Trotzdem: Probieren kann man’s ja, vielleicht funktioniert die Obst- und Gemüse-Wiege-Wahl besser als alle bisherigen Versuche. Zudem profitiert die einheimische Landwirtschaft. Den Bauern kann man dann gleich ein paar Zuschüsse streichen. Das abgegebene Obst kann nach dem Wiegevorgang an Bedürftige und Arbeitslose verteilt werden. Der betreffende Personenkreis kann das Obst und Gemüse lagern oder einkochen und damit für noch härtere Zeiten vorsorgen. Im Gegenzug kann die Mindestsicherung entsprechend gekürzt werden. Ach, Einkochen kostet Strom? Einmachgläser? Zucker? Gewürze? Keine Sorge, etliche führende Politiker können von 520 Euro mehrere! Monate lang Stromkosten bezahlen und Einmachgläser sowie Zubehör kaufen. Gar kein Problem.

Alternativ kann faules Obst und Gemüse, das sich nicht mehr zum Lagern oder Einkochen eignet, zum Werfen verwendet werden.

Wer damit beworfen werden könnte? Keine Ahnung, ich darf ja hier nicht mal wählen. Aber wenn ich in Ö wählen/werfen dürfte, dann tät mir bestimmt der ein oder andere einfallen!

Wer putzt eigentlich in der Moschee?

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Die Überschrift hat nur indirekt einen Bezug zum Inhalt. Mir ist keine bessere eingefallen. Aber gegen Ende dieses Beitrags kriege ich die Kurve doch noch.

Vor mehr als zwei Monaten bin ich umgezogen, seitdem gammelt ein Entwurf auf der Festplatte herum über „Übersiedeln in Wien“, der will und will nicht fertig werden. Ein weiterer, der sich mit Ein- und Aus- und Ein- und Auspacken beschäftigt, kommt auch nicht in die Gänge. Immer, wenn ich was angefangen und nicht fertig gemacht habe, passiert bei mir das Gleiche: Ich lasse es liegen und hoffe auf Selbsterledigung. Das geht bei Blogposts natürlich nicht. Vielleicht ist dieses jetzige Geschreibe ein Anstoß, die beiden angefangenen doch noch fertigzustellen.

Kurzer Abstecher zu den Enkeln: Denen geht’s hervorragend, leider kommen sie hier ebenfalls viiiiieeeel zu kurz. Trotzdem, und sei’s nur drum, dass ich es nicht vergesse: Neulich habe ich beide vom Kindergarten abgeholt. Vor dem Überqueren der ersten Straße packte ich einen links und einen rechts an der Hand.

Ich: „Ihr müsst jetzt an der Hand bleiben, wenn wir über die Straße gehen!“

Kleiner Enkel: „Warum?“

Ich: „Weil das gefährlich ist.“

Großer Enkel: „Ja, wenn ein Auto kommt und das fährt uns an!“

Ich: „Was ist dann?“

Großer Enkel (hebt beide Schultern, setzt diesen unnachahmlichen Blick auf, die Stimme wird um einen Ton tiefer, lässt die Schultern fallen): „Unfall.“

Ich: „Und dann?“

Großer Enkel (hebt nochmals die Schultern, behält Blick bei, Tonlage senkt sich abermals, lässt die Schultern fallen): „Tot.“

Deutlich hörbar war das harte „t“ am Ende von „tot“. Ich hoffe, nein, ich weiß es sicher, er wird zu denjenigen gehören, die dereinst in der Lage sind, Tod und tot zu unterscheiden. Schriftlich, meine ich. Er hat schon bald Gelegenheit, das zu beweisen, denn: Er kommt heuer in die Schule. Mir ist noch nicht ganz klar, ob Österreicher in, zur oder auf die Schule gehen. Ich weiß aber schon, dass Erstklässler hier nicht als ABC-Schützen bezeichnet werden (sehr schön, pazifistisch gewissermaßen, wenn der Schütze nicht verwendet wird), sondern als „Tafelklassler“. Die Bezeichnung Tafelklassler kommt daher, dass Schüler in der ersten Klasse früher, viiiiieeeel früher auf einer Schiefertafel geschrieben haben).

Die automatische Wortersetzung hat gerade Tafelk_assler draus gemacht. Das will ich jetzt nicht, wie so vieles, was dieses Ersetzungsprogramm in den letzten Arbeitstagen produziert hat. Pastinaken wurden zu Postbanken, humos zu human und dergleichen mehr. Zum Glück immer noch rechtzeitig vor Auftragsabgabe gemerkt. Ich schreibe gerade jede Menge Gartentexte, letzte Woche habe ich geschlampt, deshalb ist heute trotz Sonntagnachmittag ein (halber) Arbeitstag. Fünf sind noch übrig, die muss ich bis morgen früh fertig haben. Man merkt: Ich schiebe auf.

Zurück zu tot und Tod: Solche Verschreiber sind harmlos, der Leser weiß ja meistens, was gemeint ist.

Schlimmer ist ein Geschreibe, das nicht mal mehr als Freestyle bezeichnet werden kann, sondern einfach nur … darf ich jetzt nicht schreiben, was ich denke.

Auf FB, neulich in einer Gruppe gelesen:

!!!!!!!!!!!!!!!! BITTE TEILEN !!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Hallo Leute…..

Zuerst einmal Entschuldigung wir uns solange nichts von uns hören gelassen zuhaben. 
Wir mussten unsere Aktivitäten einstellen nach mehrmaligen bitten der Stadt Wiener Neustadt.
Nach Gesprächen mit der Stadt darf die BWWN wieder auf Tour gehen um die Polizei als Beobachter und Informant zu unterstützen.
Wenn wir eine Straftat sehen alarmieren wir die Polizei ,beobachten das geschehen und informieren die Polizei zum Ablauf usw…. 

AB DEN 25.JULI 2016 wird die Bürgerwehr Wiener Neustadt von 21:00-24:00 Uhr wieder unterwegs sein. 

Montags Flugfeld (Treffpunkt vor der Kirche)
Dienstags Josefstadt (Treffpunkt vor dem Gasthaus Storfa)
Mittwoch Kriegspital (Treffpunkt vor der Kirche)
Donnerstag Zehnerviertel (Treffpunkt vor dem Gymnasium)
Freitag Ungerviertel ( Treffpunkt altes Schwimmbad) 
Samstag und Sonntag brauchen wir nicht weil vermehrt Sicherheitsdienste unterwegs sein
sollten.

Bei persönlicher Absprache mit uns ist es aber möglich auch Samstag und Sonntag zugehen.

Es dürfen keine Alleingänge unternommen werden und müssen mindestens 2 Personen sein. 
Bei Beobachtung einer Straftat muss sofort die Polizei alarmiert werden. 
Ein eingreifen der Bürgerwehr Wiener Neustadt ist dann erlaubt wenn es sich um eine Notsituationen handelt.. 
Sie darf keine Straftaten von sich aus anzetteln oder herausfordern.
Personen die gestellt wurden dürfen festgehalten werden bis die Polizei eintrifft. 

Was darf ich als Bürgerwehr Mitglied bei mir tragen?

Wahnweste
Taschenlampe 
Knieschutz 
Elbogenschutz 
Sicherheits und Kugelwesten 
Handschuhe auch mit Kevlar oder Sand 
Pfefferspray
Trännengas
Bengalen um Alarm zu geben 
Schlagstock 
Pfeiffe zum Alarm geben

( NUR IM NOTFALL ZU VERWENDEN )

Alles andere ist strikt verboten und wird der Polizei gemeldet. 

Ihr müsst bevor ihr ein Mitglied werdet ein Formular ausfüllen. Ihr bestätigt damit belehrt worden zu sein das ihr keine Straftaten begeht zum Schutz der Bürger handelt ihr alleine Verantwortlich seid sollte etwas sein und das ihr von niemanden Hilfe bekommt. 
Es ist freiwillig und wird nicht entlohnt.

Wer sich interessiert soll bitte um 21:00 Uhr bei den jeweils genannten Treffpunkten eintreffen.

Bei Fragen schreibt uns 

SEID EIN TEIL VON UNS 
WEIL ZIVILCOURAGE ZÄHLT 

Liebe Grüße 

Euer Bürgerwehr Wiener Neustadt Team

 

DAS IST KEINE SATIRE, WEDER INHALTLICH NOCH RECHTSCHREIBTECHNISCH!

Die meinen das wirklich so.

Mal davon abgesehen, dass ich die Idee einer Bürgerwehr für absoluten Schwachsinn halte: Wenn die so wehren, wie sie schreiben, dann Gute Nacht.

Ich konnte nicht anders, das musste ich kommentieren:

„Konrad!“, sprach die Frau Mama,
„Du bist tot und SIE sind da.
All die Duden-Ignoranten,
die jämmerlichen Hirnverbrannten,
es ist ein Jammer ohne Ende.
Du kriechst im Grab gleich hoch die Wände.
In ihrem Wahn tragen sie Westen
und geben einiges zum Besten:
verwechseln dass und das und seid(t)
sind noch zu Schlimmerem bereit,
sie pfeiFFen auf Orthographie,
was Grässlicheres las ich nie.
KONRAD! Bleib besser, wo du bist.
Hier ist nur ein großer Mist,
während mir die TräNNEn rinnen,
bleib besser in dem Grabe drinnen.“

(Copyright bei mir; Info für die Bürgerwehrler: Konrad ist der Vorname des Herrn Duden. Der ist übrigens schon lange Tod/Tot/tot/tod/Todt/todt/ – sucht’s es euch aus.)

Heute sitze ich also am Schreibtisch, schiebe die Arbeit vor mir her (in der Wartestellung zur Bearbeitung sind: Glockenrebe vermehren, Glockenrebe pflegen, Mirabelle/Krankheiten und Schädlinge, Pimpinelle pflegen, Palmlilie vermehren – je 400 Wörter, Deadline Mo, 9.00 Uhr).

Statt endlich anzufangen, stöbere ich herum, was sonst noch so los ist. Demo in Köln. Uuuuund natürlich wieder mal die Rechtschreibung! Manche Fundstellen sind so schön, dass ich sie gern hier festhalten möchte. Bloß: Wie geht Screenshot mit Mac? Kein Problem, Google weiß alles. Gleich den obersten Treffer angeklickt, Hilfe erhalten, Rechtschreibfehler gefunden.

Bildschirmfoto 2016-07-31 um 12.54.19

Ok, „Überischt“ist nicht wirklich schlimm. Vielleicht ein bisschen unterirdisch, oder das Über-Isch möchte sich bemerkbar machen. Ich kann’s mir aber nicht verkneifen: Groß geschriebene „Ihrs“ und „Euchs“ haben immer etwas Majestätisches an sich. Gehört klein, ist besser so.

Der zweite Verschreiber, über den ich stolpere, ist mittlerweile korrigiert. In einem Liveblog zur heutigen Demo in Köln schreibt der Betreiber: „Wir beichten live.“ Kurze Zeit später kommt ein „r“ dazu, alles gut. Kein Screenshot, ich bin zu langsam.

Aber dann, noch ein Live-Ticker (Focus, eigentlich eh unlesbar und indiskutabel  – die beschäftigen anscheinend nur noch Praktikanten mit Legastheniker-Hintergrund – und JA, es muss an dieser Stelle „anscheinend“ und nicht „scheinbar“ heißen!):

Bildschirmfoto 2016-07-31 um 12.03.24

Tja, der pöbelnde Mopp. Liebe, liebe Leute von der schreibenden Zunft: Eignet euch ein bisschen Hintergrund- und Orthographiewissen an, nur ein bisschen, das hilft schon ungemein. Pöbeln tut immer nur der Mob. Mit dem Mopp putzt man, also das heißt, man entfernt damit Fusseln und Staub von glatten Fußböden. Zum Beispiel vom Fliesenboden einer Moschee, zwischen den Teppichen.

Wenn wir schon dabei sind: Ein Mops ist ein Hund mit Falten im Gesicht. Als Moppel werden dagegen rundliche Frauen bezeichnet, die aufgrund ihres Übergewichts oft ein faltenfreies, weil gut gepolstertes Gesicht haben.

Genug aufgeschoben! Allerdings ist es jetzt Zeit für meinen Mittagsschlaf, meine fünf Gartentexte müssen also noch warten. Sind ja noch mehr als 19 Stunden bis zur Auftragsabgabe, da kann ich ruhig ein Stündchen davon verpennen.

Für den heutigen Demo-Tag wünsche ich mir einen möglichst friedlichen Verlauf ohne Verletzte oder noch Schlimmeres auf allen Seiten. Wünschen wird man ja wohl noch dürfen.

 

 

 

 

 

Integration 1965

Warum mir diese Geschichte gerade heute einfällt, hat zwei Gründe. Zum einen sah ich vorhin den „Großen Flüchtlingsreport Österreich“ (aufgezeichnet und wegen Zeitmangel erst heute dazu gekommen, die Sendung anzuschauen). Dabei wurde mir wieder einmal bewusst, wie wichtig die Wohnumgebung für eine gelungene Integration ist. Kein Wohnheim, kein Ghetto, kein bestimmter Stadtteil, sondern mitten unter uns. Zum anderen spielt die Integrationsgeschichte 1965 in einer der drei Augsburger Osterfeldstraßen, und was wäre an Ostern passender als eine Erinnerung an eine Straße dieses Namens und ihre Bewohner?

Wir gehen zurück ins Jahr 1965, vielleicht auch ein Jahr davor oder eins danach, so genau weiß ich es nicht mehr. Im Augsburger Stadtteil Kriegshaber lebte meine Großtante im Dachgeschoss eines einfachen Siedlerhäuschens. Das Haus befand sich in der Oberen oder Mittleren oder Unteren Osterfeldstraße, auch das weiß ich nicht mehr sicher. Google sagt aber, es muss die Untere gewesen sein, denn gegenüber befand sich eine Metzgerei, und die lässt sich im Netz finden. Besuche bei meiner Großtante waren immer spannend. Das lag nicht zuletzt an besagter Metzgerei. Tante Lisi half ab und zu in der Metzgerei aus und hatte immer Wurst im Kühlschrank.

Im Erdgeschoss wohnten die Eigentümer des Hauses, ebenfalls verwandt, die mit noch mehr Köstlichkeiten aufwarten konnten. Tante Thea aus dem Erdgeschoss ging putzen und brachte gleichfalls Beute mit nach Hause. Ihre Putzstelle war „bei den Amis“. Augsburg hatte damals mehrere Wohngebiete für die amerikanische Besatzung, Cramerton, Centerville, Fryar Circle und Sullivan Heights.

In die Familie brachte diese Putztätigkeit einen Hauch der großen weiten Welt. Tante Thea servierte bunte Getränke, bestehend aus Wasser und amerikanischem Getränkepulver, es gab Eis aus riesengroßen Plastikbehältern und Schnellgerichte, die man nur in den Ofen schieben musste. Sie präsentierte manchmal Lippenstifte und steuerfreie Zigaretten aus dem PX oder andere tolle Sachen, die wir bestaunten und bewunderten. Sie selbst war sehr stolz auf ihre Tätigkeit und vor allem auf ihre Englischkenntnisse. „I’m a cleaner“, sagte sie, „bei se officers.“ Wir bewunderten auch die Englischkenntnisse, ich allerdings nur bis 1967. In der fünften Klasse hörte ich zum ersten Mal, wie „th“ wirklich klingen musste. Zu Tante Thea durfte ich das nicht sagen, sie wäre dann beleidigt gewesen. Immerhin: Wo sie doch so weltgewandt war und Tag für Tag den Officers den Dreck wegwischte!

Um 1965 herum war es mit ihrer Weltoffenheit plötzlich vorbei. Meine Großtante Lisi beschloss nämlich, in ihrer Dachwohnung ein Zimmer unterzuvermieten. Sie hatte unterm Dach drei Räume und ein Klo mit Waschbecken zur Verfügung (das Bad für alle Hausbewohner war im Keller). Eine Wohnküche, ein Schlafzimmer und ein leeres Zimmer. Eigentlich wollte sie dort immer mal ein Wohnzimmer einrichten, aber das Geld war knapp, außerdem gab es Probleme mit der Heizung. In der Wohnküche bullerte ein Kohleofen vor sich hin, die beiden anderen Zimmer waren mit je einem Ölofen ausgestattet. Tante Lisi hatte Schwierigkeiten, die volle, schwere Ölkanne aus dem Keller nach oben zu tragen, ihr reichte schon die Schlepperei mit den Kohlen. Also blieben Schlafzimmer und geplantes Wohnzimmer im Winter kalt. Die Untermieter waren aber jung und Tante Lisi meinte, die könnten doch das Heizungsöl nach oben tragen, und überhaupt sei es doch dumm, wenn ein ganzes Zimmer leer stünde. Der Haken: Die Untermieter waren aus Griechenland. Das wollte Tante Thea nicht. Wo käme man denn da hin, wenn man sich nicht mal unterhalten kann!

Tante Lisi lenkte ein. Zunächst würde nur der griechische Familienvater einziehen. Der könne vielleicht, wahrscheinlich, sicher Englisch, das sei ja Weltsprache, dann wären die Sprachprobleme mit Tante Thea erledigt (O-Ton Tante Lisi: „Wenn du englisch kannst, dann kann das der Grieche schon lang. Mindestens so gut wie du.“ Tante Thea: „Ja und du, wie redest du mit dem?“ Tante Lisi: „Das sehen wir dann schon.“) Frau und Kind kämen erst später nach, er müsse sich ja erstmal zurechtfinden. Das passte Tante Thea auch wieder nicht. Ohne Frau! Ob das wohl klappte! Tante Lisi blieb hartnäckig. Bei der Metzgerfamilie lebte auch ein ausländisches Paar, die seien sehr fleißig und höflich und nett, er sei zuerst gekommen, ein halbes Jahr später seine Frau. (O-Ton Tante Thea: „Das sind Italiener! Das geht ja gerade noch! Aber Griechen!“)

Das schlagende Argument war schließlich das Geld. Untermiete = mehr Geld für Tante Lisi = mehr Geld für Tante Thea. Die Weltoffenheit kehrte zurück und Tante Thea gab ihre Zustimmung zur Untervermietung. Tante Lisi nähte Vorhänge und organisierte Betten, einen Tisch, Stühle und einen Kleiderschrank. Eine richtige Kochgelegenheit gab es in dem Untermietzimmer nicht, nur eine elektrische Kochplatte, die auf dem Tisch stand. Tante Lisi wischte die Einwände Tante Theas weg: „Der kann bei mir essen, der Grieche. Ich koch ja sowieso.“

Dann kam der Grieche. Er konnte kein Wort deutsch, Tante Lisi natürlich kein Wort griechisch, mit Englisch sah es bei beiden schlecht aus. Aber egal. Der Grieche arbeitete bei der MAN, half im Garten, reparierte ein altes Fahrrad, fegte Laub, schippte Schnee, schleppte Kohle und Ölkannen und aß meistens bei Tante Lisi. Nicht wie geplant nach einem halben Jahr, sondern erst zwei Jahre später kamen seine Frau und sein Sohn. Die Griechin konnte ebenfalls kein Wort deutsch, fand aber genauso schnell Arbeit wie ihr Mann. Tante Lisi kümmerte sich um den Bub, der damals noch nicht zur Schule ging, er muss so ungefähr vier, fünf Jahre alt gewesen sein. Der Bub sprach nach einem Jahr Deutsch – pardon: Augsburger Dialekt.

Beim Kochen gab es Veränderungen. Die Griechin nutzte die elektrische Kochplatte nur für Kaffee oder kleine Gerichte. Oft kochte sie bei Tante Lisi. Es roch jetzt im ganzen Haus anders: Mehr Gewürze, mehr Knoblauch, mehr Olivenöl. Manchmal kam Tante Thea zum Essen. Schon was anderes als diese amerikanischen Fertigsachen, meinte sie dann anerkennend. Aber auch die Griechin erweiterte ihre Kochkünste und Sprachkenntnisse. Sie konnte sich die ganzen Jahre über nicht richtig auf deutsch unterhalten – nur die Bezeichnungen fürs Essen und für Lebensmittel, die beherrschte sie nach kurzer Zeit mühelos. Die restliche Kommunikation fand bruchstückhaft, mit Händen und Füßen statt. Der Bub wurde zum Übersetzer, so klappte alles recht gut. Der Grieche tat sich mit der Sprache leichter, nur die schriftlichen Sachen blieben schwierig.

Der Bub wurde eingeschult, für die Griechin ein großer Anlass zur Sorge. Bisher wusste sie ihn gut aufgehoben, wenn sie arbeiten ging. Er war unter der Aufsicht von Tante Lisi, spielte im Garten oder im Zimmer. Sie arbeitete halbtags, war jedoch zum Schulschluss noch nicht zurück. Doch auch hier war auf Tante Lisi Verlass. In den ersten Wochen holte sie ihn mittags von der Schule ab, bis er den Weg allein beherrschte. Sie bekochte ihn und trieb ihn zum Hausaufgaben machen an. Manchmal vergaß sie auch, dass der Bub für die Schule lernen sollte, und backte mit ihm stattdessen Marmorkuchen und kochte Pudding. Der Bub wurde zu dem Enkel, den Tante Lisi nie hatte. Er nannte sie allerdings nie Oma, sondern so, wie wir es alle taten, auch seine Eltern: Tante Lisi.

Nein, es war nicht immer nur eitel Sonnenschein in der Unteren Osterfeldstraße. Die Griechin schimpfte über die viele Wurst in Tante Lisis Kühlschrank – der Bub wollte ja gar kein Gemüse mehr essen! Beim wöchentlichen Putzen der Treppe wurde sie von Tante Thea erwischt, wie sie einfach Wasser von oben nach unten kippte, statt ordentlich jede Stufe zu schrubben. Der Grieche kaufte ein altes Auto, das nahm Tante Thea mit Neid zur Kenntnis. Dann fuhr die ganze Familie auch noch mit der alten Klapperkiste nach Griechenland auf Urlaub, vollbepackt bis obenhin, unglaublich, wo sich doch Tante Thea weder Auto noch Urlaub leisten konnte. Der Bub schoss mit dem Fußball mehrere Fensterscheibe kaputt und klaute amerikanisches Getränkepulver aus Tante Theas Küche. Die Griechin war zu lang im Bad und wusch sich jeden zweiten Tag die Haare (Wasserverschwendung!), der Grieche zog seine Schuhe nach der Gartenarbeit nicht schon vor der Haustür aus, sondern stieg damit einfach die Treppe hoch. Tante Thea schaffte ein Telefon an und überwachte die Telefonate des Griechen mit der Stoppuhr. Es gab den ganz normalen Ärger, den es immer gibt, wenn mehr als ein Mensch in einer Wohnung oder in einem Haus lebt.

Einige Jahre danach zog die griechische Familie in eine eigene Wohnung, blieb aber im Stadtteil Kriegshaber. Der Bub besuchte Tante Lisi am Anfang oft, dann seltener. Die Griechin kam jede Woche und schaute nach, ob Tante Lisi irgendetwas brauchte. Sie war die erste, die bemerkte, dass Tante Lisi nicht mehr alles wie gewohnt schaffte. Dann machte sie Ordnung in der Wohnung, putzte das Klo und bezog das Bett frisch. Erste Anzeichen von Demenz wurden sichtbar. Noch ein paar Jahre später übersiedelte Tante Lisi ins Altersheim. Ich weiß leider nicht, was aus dem Bub und seinen Eltern geworden ist. Ich vermute aber, sie haben alle ihren Weg gefunden.

PS: Eines Tages kam Post aus Griechenland. Eine Ansichtskarte, ungelenke Buchstaben, adressiert an „Tante Lisi, 8900 Grieshaber, Deutschland“. Dass diese Karte tatsächlich im richtigen Briefkasten landete, liegt daran, dass meine Großtante in ihrem Stadtteil und in der Nachbarschaft sehr bekannt war. Es stimmten nur die Postleitzahl, damals noch vierstellig, der Vorname und das Land. Es liegt daran, dass der Postler beim Sortieren wusste, wer gemeint war. So etwas funktioniert nur, wenn wir uns kennen und aufeinander achten.

In diesem Sinne: Frohe, friedliche Ostern und ein paar Gedanken darüber, wie Integration gelingen kann. Könnte. Wenn wir nur wollen.

„Die ham doch alle nen Knall“ …

schrieb mir letzte Nacht meine liebste Facebook-Freundin. Eine passendere Überschrift für meine (private) Rückschau auf 2015 kann ich mir nicht vorstellen. Und besser lassen sich viele Ereignisse – öffentliche und private – des vergangenen Jahres auch nicht kommentieren. Deshalb belasse ich es bei kurz und knapp. Einen schicken Jahresrückblick gibt es übrigens hier im Zaubertraumtagebuch und, falls jemand nach Leseempfehlungen sucht, einen weiteren in Inas Bücherkiste.

Du, liebe C., hast mir im letzten Jahr immer wieder zugehört (oder heißt es zugelesen, wir schreiben uns ja nur?), du hast mir Mut gemacht und mich zum Lachen gebracht. Wir haben gemeinsam gegrinst, gemeckert und gestaunt. Auf FB wurde ich aufgefordert, Fotos von mir zu posten, die älter als 15 Jahre sind (nein, die Nominierung stammt nicht von dir, auf solche Ideen kommen auch andere). Ich hab bisher nur eines geschafft, aber immerhin weitere Bilder gesucht und gefunden. Drei davon passen auch hierher, denn sie zeigen: Lachen, meckern und staunen konnte ich schon im ersten Lebensjahr, und ich hab’s glücklicherweise bis heute nicht verlernt.

lachen

Lachen, auch wenn’s mir nicht danach ist, auch über mich selbst … halte ich für überlebensnotwendig …

meckern

Meckern, hilft immer, danach sieht die Welt gleich wieder anders aus. Und weinen, wenn’s nicht anders geht …

staunen

Staunen. Vielleicht das Wichtigste überhaupt …

Aber du hast mir auch ein reales Geschenk gemacht: Hurra, ich hab Zauberpulver bekommen! Mit Beipackzettel, was es alles kann. Gegen alle bekannten Krankheiten helfen, zum Beispiel. Aufgabe für 2016: Unbekannte Krankheiten benennen, dann sind sie bekannt und heilbar. Außerdem sorgt dieses faszinierende Pulver für Glück (bin ich eh gaaaanz nah dran), Zufriedenheit (breitet sich seit Anfang 2012 immer mehr in meinem Leben aus), Frohsinn (siehe Foto Nr. 1), Schaffenskraft (PASST!), Kreativität (ja, die soll mir bitte bitte auch weiterhin erhalten bleiben), und Liebesfähigkeit (davon kann man ja bekanntlich nie genug haben).

Nur der letzte Punkt lässt mich etwas ratlos zurück: Beliebtheit. Weiß nicht, ob ich das wirklich will. Be-liebt werden von den richtigen Menschen, klar, aber dafür braucht es hoffentlich kein Zauberpulver. Du weißt schon, wie ich’s meine.

Damit ich hier noch die Kurve zum Jahresrückblick bekomme, klaue ich woanders diese bewährten Rückblicksfragen:

Zugenommen oder abgenommen?
Zugenommen, leider. Aber seit November wieder Tendenz nach unten.

Haare länger oder kürzer?
Länger. Friseurphobie oder Faulheit, immerhin selbst gefärbt und manchmal selbst geschnippelt.

Kurzsichtiger oder weitsichtiger?
Keine Ahnung, ich kann mir das nie merken, wie’s heißt. Ohne Brille geht Lesen an manchen Tagen noch, an manchen nicht. Die Anzahl der in der Wohnung verteilten Lesebrillen hat zugenommen, um der aufkommenden Vergesslichkeit ein Schnippchen zu schlagen.

Mehr bewegt oder weniger?
Was ist das denn für ne Frage, die passt nicht zu mir. Aber gut: Ab Herbst wieder mehr, Vorher zu krank und draußen zu heiß (Mördersommer, komm bitte 2016 nicht wieder!).

Der hirnrissigste Plan?
Bis jetzt noch keiner, aber das Jahr ist ja noch nicht um.

Die gefährlichste Unternehmung?
Keine. Mangels Gelegenheit.

Die teuerste Anschaffung?
Keine. Ich spare auf eine Küche.

Das leckerste Essen?
Gebratene Kochbananen bei der Freundin meines Sohnes – noch nie vorher gegessen, hellauf begeistert!

Das beeindruckendste Buch?
„Das große LOS“ von Meike Winnemuth. Knoten ins Taschentuch: Nochmal lesen!

Das enttäuschendste Buch?
„Doctor Sleep“ von Stephen King, der erste King, den ich in der Mitte abgebrochen habe.

Der ergreifendste Film?
„The True Cost“, zweimal gesehen, einmal im Kino, einmal im TV, und „Obendrüber, da schneit’s“, viermal gesehen. Vielleicht Anfang Januar nochmal?

Die beste Musik?
Konstantin-Wecker-Konzert am 14. Februar. Vorschau: Konstantin-Wecker-Konzert am 4. Mai!

Die meiste Zeit verbracht mit …?
Arbeiten und Schlafen.

Die schönste Zeit verbracht mit …?
Meinen Enkeln.

Vorherrschendes Gefühl 2015?
Das geht vorbei.

2015 zum ersten Mal getan?
Jemandem gesagt, er möge sich bitte einen anderen Mülleimer suchen.

2015 nach langer Zeit wieder getan?
Gebackene Leber mit Äpfeln und Zwiebeln gemacht – warum mache ich das nicht öfter?

3 Dinge, auf die ich gut hätte verzichten mögen?
Nachrichten. Viele, mehr als drei, die alle diesem Jahr hätten fernbleiben können.

Die wichtigste Sache, von der ich jemanden überzeugen wollte?
Dass ich die richtige Mieterin für meine zukünftige Wohnung bin.

Das schönste Geschenk, das mir jemand gemacht hat?
Konstantin-Wecker-Konzertkarten. Und Zauberpulver. 

Das schönste Geschenk, das ich jemandem gemacht habe?

Das große Buch … vom Lightning Go Queeeeeen! (O-Ton kleiner Enkel, als er sein Geburtstagsgeschenk ausgepackt hat, ein Bilderbuch über das Wunderauto Lightning McQueen, das aber bei ihm Lightning GO Queen heißt).

2015 war mit einem Wort …?
Leben!

Vorsätze und Pläne für 2016?
Vorsätze: Keine, aber für alles andere gilt: Weitermachen! (Und bisschen mehr Blog schreiben) Und umziehen natürlich!

So, das war’s. Was sonst noch passiert ist, geht niemanden was an. Gerade werfe ich einen Blick in das Tütchen mit Zauberpulver. Obwohl ich schon einiges davon verteilt habe, wird und wird es nicht weniger! Toll, ein echtes Zauberpulver also! Muss ich doch glatt mal genauer auf die Verpackung sehen: Drauf steht „Wongs Reisgewürz“ (sicher nur Tarnung, so’n echtes Zauberpulver kommt ja gern mal inkognito daher). Klein gedruckt darunter: Mrs Wong Rice Spice. Ohne Brille las ich Mrs Wrong. Aber besser Mrs Wrong als Mr Right, der eigentlich nur ne billige Mogelpackung ist. Und auf der Rückseite: Ha, dieser bekannte Gewürz- und Teevertrieb bräuchte dringend eine Korrekturleserin, denn „Rote Bete“ hat nun mal nur ein E, nicht zwei! Hat mit dem Beet absolut nix zu tun! Also, falls ihr (die mit dem sonnigen Tor) gern mit korrekter Rechtschreibung punkten möchtet: Ich würd’s machen! Aber eigentlich ist das ja gar nicht wichtig.

In diesem Sinne: Feiert Silvester oder Sylvester, von mir aus sogar Sülwester (kürzlich gelesen, man glaubt es kaum!). Habt ein gutes neues Jahr oder ein Gutes Neues Jahr. Umgeht die Rechtschreibfallen, indem ihr eure liebsten Menschen anruft oder einfach direkt umarmt. Rutscht gut oder schlaft gemütlich ins neue Jahr hinein. Lasst es krachen oder spendet. Diniert fein und gediegen oder veranstaltet ein Picknick unterm Tisch (steht mir heute noch bevor, Enkelwunsch). Besauft euch oder trinkt ein maßvolles Gläschen. Bleibt oder werdet gesund, hoffnungsvoll, zuversichtlich, mutig. Wünscht euch, was ihr wollt. Aber seid vorsichtig mit dem Wünschen: Manches könnte in Erfüllung gehen, und das ist nicht immer das Beste, was einem passieren kann (ich weiß, wovon ich rede).

Ach ja, und Musik natürlich, davon können wir doch auch alle nie genug haben. Bei mir singt selbstverständlich – wie könnt’s auch anders sein – Konstantin Wecker. Er singt, passend für den Aufbruch in ein neues Jahr, passend zur allgemeinen Lage, von etwas, wovon einige ein Stückchen gebrauchen könnten: Von der Anna. Also von der Anarchie. Reinhören!

Baba 2015!

 

 

 

 

Novembernächte

Ich wollte über (m)einen Traum schreiben, schon vor Wochen. Hab’s nicht geschafft. Tatsächlich geträumte Träume kann ich nicht (be-)schreiben. Zu privat, zu dumm, zu albtraumhaft, zu märchenhaft.

Letzte Nacht: Ein Albtraum in Wirklichkeit. Ich erinnere mich jetzt, in diesem Moment, an eine andere Novembernacht, das muss über zehn Jahre her sein. In der Augsburger Heilig-Kreuz-Kirche spielte Giora Feidman. Wir ließen uns verzaubern von seiner wunderbaren Musik. Irgendwann im Lauf des Konzerts sagte er: „Ich spiele hier für euch. Ich, ein Jude, in einer evangelischen Kirche, in Deutschland. Das ist Frieden.“ Am Ende spielte er eine kleine, einfache Melodie, und forderte die Zuhörer*innen zum Mitsingen auf.

Wir gingen zum Parkhaus, um uns herum viele andere Menschen, wir summten alle die gleiche Melodie vor uns hin. Am Parkscheinautomat, im Aufzug. Glückselig, friedlich. Das war Frieden, Frieden und Glück zwischen uns, Frieden und Glück zwischen Menschen, die sich drei Stunden vorher noch völlig fremd gewesen waren. Ein Abend, den ich nie vergessen werde.

Gestern. Ich hüte die Enkelzwerge, nach langem Bespaßungsprogramm inklusive Fußball spielen, Peppa Wutz und Robin Hood gucken, zwei Geschichten vorlesen, Badprogramm abwickeln, noch eine Geschichte erzählen, singen, ist Ruhe im Kinderzimmer. Ich stricke vor dem Fernseher, bin müde. Dann Nachrichten. Mitten in der ZiB2 eine erste Meldung über die Anschläge in Paris. Ich mache den Fernseher aus, will nichts wissen, nichts hören, nichts sehen. Dann kommen meine Tochter und mein Schwiegersohn nach Hause, wir reden über Belangloses, Termine, Weihnachten, Fliegengitter, was man halt so redet.

Ich verabschiede mich und fahre in meine Wohnung, der Gedanke an die Nachrichten ist jetzt wieder da, und ich schalte den Fernseher ein, sitze geschockt da, eine Meldung nach der anderen, es wird immer schlimmer. Ich bleibe fast die ganze Nacht wach.

Hitzefrei, Albtraum, Demo, (Traum)

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Ab heute ist hitzefrei – im Wortsinn, zehn Grad weniger als gestern, endlich. Was sich das Wetter in diesem Sommer geleistet hat, eine Hitzeelle nach der anderen, war für mich nicht mehr lustig. Ich gehöre nun mal nicht zur „Manche mögen’s heiß“-Fraktion. Trotzdem habe ich versucht, mir das Jammern weitestgehend zu verkneifen. Denn in Zeiten wie diesen fällt es schwer, ja erscheint mir nahezu ungehörig, sich über zu heißes Wetter zu beschweren, wenn man Wohnung, Wasser, Dusche und Ventilator besitzt. Überhaupt: Wir haben ja alles. Unvorstellbar, dass nur wenige Kilometer entfernt Menschen unter unwürdigsten Bedingungen untergebracht sind.

Alles rückt so nahe. Der alltägliche Albtraum entlädt sich in Meldungen, die so unfassbar sind … 71 Menschen sterben in einem Lastwagen, obwohl sie nichts möchten als Frieden und Freiheit und Leben. Stacheldrahtzäune und Mauern werden errichtet. In meiner Facebook-Flüchtlingsgruppe überstürzen sich die Beiträge, ich lese alles, die Tränen sitzen locker. Ich bin dünnhäutig in den letzten Tagen. Jemand schreibt: Träumt, so weit ihr kommt. Ein sonderbarer Wunsch, oder doch nicht? Wovon träumen die, die fliehen? Von einem sicheren Ort, Zuflucht. So weit sie kommen. Viele kommen nicht an.

Mein kleiner Enkel nickt verständnisvoll, als ich beim Abendessen sage: „Du musst das Brot auch essen, nicht nur den Käse und die Wurst.“ Er sagt mit gerade mal drei Jahren: „Andere Kinder haben nichts zum Essen. Die haben Hunger.“ Und schiebt sofort nach: „Kann ich noch Sotomate haben?“ Man kann ihm tausendmal sagen, dass es Tomate und nicht Sotomate heißt, es nützt nichts. Mittlerweile sagen wir alle Sotomate. Nach dem Essen gucken wir Ice Age, eine kleine optische Abkühlung, ich freu mich über jede Schneeflocke.

Wir leben im Überfluss, und ich möchte mich darauf einstellen, davon abzugeben, zu teilen – nicht weil ich muss, sondern weil ich will. Ich war beim Spenden sortieren, als das Wetter noch erträglich war, dann wurde es so heiß, dass ich mich nur noch verkrochen habe. Schon komisch, da kommt man unbeschadet durchs Klimakterium und kriegt die Hitzewellen trotzdem ab. Jetzt wird es kälter, und ich habe das Gefühl, ich will viel mehr tun – und kann jetzt auch wieder. Danke an alle Hitzeresistenten, die in diesem glühend heißen Sommer immer wieder nach Traiskirchen gefahren sind und geholfen haben!

Am Montag ging alles durcheinander. Zwischen Aufträgen und Eiskaffee mal den Fernseher angemacht und gesehen, was in Ungarn am Bahnhof los ist. Meine Tochter fragt, ob ich abends zur Demo gehe. Nein, mir ist es zu heiß, es ist niemandem gedient, wenn ich umkippe. Aber sie war dort und hat mir einen Bericht geschickt.

I thank you that you give me the chance to complete my life.

Zurück von der Demo – und mit einem Tag Abstand ein kleiner Rückblick auf den gestrigen Abend. Es war sehr anstrengend gestern, sowohl körperlich als auch emotional. Gut, ich hatte auch vorher nichts gegessen, und auch nichts zu trinken dabei, da waren andere deutlich besser vorbereitet. Allerdings hatte ich einen echt guten Platz, ziemlich weit vorne, Bühne gut im Blick und hab bei den Reden auch alles verstanden. Von jung bis alt war alles dabei. Dass so viele Menschen gekommen sind, ist mir da noch gar nicht aufgefallen. Erst viel später, als es nach den (langen) Reden dann losgehen sollte, hab ich gemerkt, dass da nicht nur 2000 Leute waren… Bis die endlich mal losgegangen sind, hat es sicher 15 Minuten gedauert.

Ich habe mich zwischendurch mit Essen und Trinken versorgt, und als ich nach der Verpflegungspause wieder auf der MaHü war, sind immer noch Demonstranten vorbei.

Es war wirklich beeindruckend, geheult hab ich auch fast, bei der Rede einer jungen Syrerin – da wird einem bewusst, dass es nicht um irgendwen geht, sondern um Menschen, die einfach nur leben wollen. Sie sagte (und den Satz hab ich mir gestern direkt aufgeschrieben): „I thank you that you give me the chance to complete my life.“ Um mehr geht es nicht.

Danke dir!

Gesammelt im Netz – zum Nachlesen

Rede auf der Demo „Mensch sein in Österreich“ / Alexander Pollak

DANKE
Danke, dass heute so viele von euch gekommen sind. Es ist wichtig, dass ihr hier seid. Es ist wichtig, dass wir heute hier ein Zeichen gegen den menschenunwürdigen Umgang mit Asylsuchenden und gegen unerträgliches politisches Versagen setzen.

APPLAUSMINUTE
Es hat in den letzten Tagen viele Schweigeminuten gegeben, bei denen wir der Toten gedacht haben, bei denen wir den Angehörigen unser Beileid bekundet haben. Ich möchte Euch heute um etwas anderes bitten, um eine Applausminute. Eine Applausminute für alle, die sich in den vergangenen Tagen und Wochen so großartig für Menschen in Not eingesetzt haben.

ES BRAUCHT EUCH
Es braucht Euer Engagement angesichts einer Politik, die vergessen hat, dass die Achtung der Menschenwürde an erster Stelle zu stehen hat.

Es braucht euch und andere Menschen, die sich nicht von Angstmache, Rassismus, Nationalismus und Egoismus anstecken lassen.

Es braucht ein starkes Gegengewicht zu Parteien, die mit Hass, Lügen und Menschenverachtung Politik machen.

HERAUSFORDERUNG
Und es braucht Menschen, die zeigen, dass wir gemeinsam die Herausforderungen dieser Tage meistern können.
Denn es steht außer Frage, dass die momentane Situation eine enorme Herausforderung darstellt. Für Österreich, für Europa, aber ganz besonders für die Flüchtlinge selbst.

WÄHREND WIR HIER STEHEN….
Während wir hier sind, kürzt die UNO ihre Hilfe für Flüchtlinge im Libanon und Jordanien, weil die Staatengemeinschaft, weil auch Österreich nicht genug Geld bereitstellt. Zigtausende Kinder und Jugendliche erhalten in Flüchtlingslagern kaum Bildung und keine Ausbildung. Jetzt werden sogar die Essensrationen gekürzt.

Deshalb machen sich Hunderttausende auf den Weg nach Europa.

Während wir hier stehen, sind diese Menschen zu Fuß, auf Booten, in Autos Richtung Europa oder bereits in Europa unterwegs. Tausende warten in diesem Moment am Bahnhof in Budapest, um Richtung Westen weiterfahren zu können.

KEINE ARMEN HASCHERLN
Diese Flüchtlinge haben Unvorstellbares durchgemacht und sie haben noch viele Strapazen, Risiken und Schwierigkeiten vor sich. Aber diese Flüchtlinge sind keine armen Hascherln. Sie sind Menschen mit Stärken und Schwächen, mit konkreten Bedürfnissen und Zielen. Menschen, die Respekt verdienen und mit denen wir auf einer Augenhöhe kommunizieren sollten.

ES LIEGT AN UNS!
Es liegt an uns, wie wir diesen Menschen begegnen. Es liegt an uns, wie wir die Herausforderung, der Aufnahme der Flüchtlinge meistern.

Wenn wir eine Bunkerhaltung einnehmen, wenn wir Flüchtlinge als Belastung abtun, wenn wir glauben, dass Abschottung und Abwehr Heilsbringer sind, dann werden wir versagen, dann werden viele Menschen ins Unglück stürzen und auch uns selbst unglücklich machen.

Wenn wir die Herausforderungen dieser Tage meistern wollen, dann müssen wir bereit sein zu mehr Offenheit, zu mehr Hilfeleistung, zum Teilen, zum Investieren und zum Dazulernen. Wir müssen bereit sein, mit Veränderung umzugehen. Und wir müssen bereit sein, Menschenrechte und Menschenwürde entschlossen zu verteidigen.

SCHLEPPER
Ein Wort noch zum Thema Schlepper: Schlepper, die Menschen fahrlässig ersticken, verdursten oder ertrinken lassen, die Menschen ausbeuten, nötigen und desinformieren, begehen schwere Verbrechen. Doch es sind diese Schlepper, diese Transporteure, die derzeit die Einzigen sind, ich wiederhole, die Einzigen sind, die Flüchtlingen berechtigte Hoffnung geben, in ihre Zielländer zu gelangen.

Diese Schlepper, diese Transporteure sind das Sinnbild einer heuchlerischen Politik, einer Politik, die zum Kampf gegen Schlepperei aufruft, aber zugleich dafür sorgt, dass Flüchtlinge keine andere Wahl haben, als die Dienste von Schleppern in Anspruch zu nehmen.

LEGALE FLUCHTWEGE
Es braucht legale und sichere Fluchtwege nach Europa und nach Österreich. Es braucht eine europäische Lösung, die es Menschen ermöglicht, nicht nur in der EU, sondern bereits außerhalb der EU einen Asylantrag zu stellen und legal und sicher einzureisen.

KEINE AUSREDE
Das bisherige Fehlen einer gesamteuropäischen Lösung darf jedoch keine Ausrede dafür sein, die Menschenwürde in Österreich zu vernachlässigen, weder bei der Unterbringung noch bei der Einreise.

Wenn die österreichische Bundesregierung wirklich Menschenleben retten will, wenn sie wirklich verhindern will, dass Menschen weiterhin Schleppern ausgeliefert sind, dann muss sie jetzt dafür sorgen, dass Flüchtlinge frei nach Ö einreisen und durch Ö durchreisen können!

Das ist sofort umsetzbar.

APPELL
Ich möchte zum Abschluss einen Appell an Euch richten:

An diejenigen, die sich bereits engagieren. Macht bitte weiter. Indem ihr Unterkünfte bereitstellt, Patenschaften eingeht, Deutschkurse abhaltet, euch konstruktiv in Foren und sozialen Netzwerken äußert, spendet und vieles mehr tut, leistet ihr unheimlich Wichtiges für die Menschen, denen ihr helft, für unsere Gesellschaft, aber auch für euch selbst.

Und an alle, die sich noch nicht engagieren: Bitte macht euch Gedanken darüber, was ihr im Rahmen eurer Möglichkeiten beitragen könnt. Macht euch Gedanken, wie ihr Menschen helfen und die Achtung der Menschenwürde stärken könnt.

Es liegt in unserer Hand, dafür zur sorgen, dass Menschenrechte, Menschlichkeit und Menschenwürde wieder an erster Stelle stehen!

Danke.

PS: Es handelt sich hier um die schriftliche Version der Rede. Live bin ich da oder dort etwas abgewichen.

und Fotos von SOS Mitmensch

http://www.sosmitmensch.at/site/home/article/1074.html

und ein Video

https://www.youtube.com/watch?v=RehpR1tj3oY

und noch ein Bericht von wienerzeitung.at

http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/chronik/771867_Eine-Applausminute-fuer-Fluechtlingshilfe.html

So, das ist jetzt sehr lang geworden. Deshalb gibt es über den letzten Teil – TRAUM – einen separaten Beitrag. Schreibe ich heute noch. Update: Ich schreibe immer noch dran (Freitag Abend). Momentan mutiert alles immer mehr zum Albtraum.

Und wieder und wieder – unerträglich!

Teilt das Meer.

Lasst Dummheit, Ignoranz, Intoleranz, Hetze und Hass und Gier absaufen. Aber niemals Menschen.

Teilt das Meer.

Seht nicht weg. Seht hin, wenn Tausende ertrinken, wenn Millionen verdursten und verhungern. Seht hin, wenn Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil sie keine andere Wahl haben. Ihr habt die Wahl.

Teilt das Meer.

Lasst euch nicht für dumm verkaufen, wenn euch Politiker und Chefredakteure in Talkshows erzählen, sie, nur sie allein wüssten, WER ein Recht auf Asyl hat und wer nicht. Lasst diese Reden und Meinungen untergehen. Aber niemals Menschen.

Teilt das Meer.

Lasst euch nicht von den Zeitungen blenden, die mit ihren Schlagzeilen und ihrer Jagd nach Sensationen den Hass und das Unverständnis schüren anstatt aufzuklären und Menschlichkeit in den Mittelpunkt zu rücken. Werft diese Meinungen über Bord. Aber niemals Menschen.

Teilt das Meer.

Stellt euch gegen die hetzenden Stimmen, die unwürdige Parolen verbreiten und zu „Spaziergängen“ aufrufen, die nur eines zum Ziel haben: andere wegen ihres Glaubens und ihrer Herkunft zu verurteilen und abzuweisen. Denkt daran: Diese furchtbare Bewegung ist nicht „islamkritisch“. Sie ist ISLAMFEINDLICH.

Teilt das Meer.

Macht euch bewusst, dass viele von euch ihren Urlaub an den Stränden des Mittelmeeres verbringen. An den Stränden eines Massengrabs. Denkt daran, dass ihr zufällig im Herzen Europas geboren wurdet, dass niemand euch verfolgt und bedroht. Denkt daran, dass ihr weder Krieg noch Folter und Gewalt, weder Hunger noch Durst fürchten müsst.

Teilt das Meer.

Denkt daran, dass für alle genug da ist: genug Geld, genug Platz, genug Essen, genug Wasser, genug Arbeit. Es ist nur falsch verteilt. Wenige bereichern sich auf Kosten vieler. Wenige leben im Frieden, im Wohlstand, ja sogar im Überfluss. Viele verlieren alles. Sogar ihr Leben.

Lasst uns das Meer teilen.

PS: Geschrieben im Frühjahr 2015, erstmals gepostet im Juni, heute nochmals.

Flüchtling findet Hirn

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Es bringt ja fast nix, im Netz mit Andersdenkenden, Hetzern und Neidern zu diskutieren. Die vorhersehbaren Antworten sind auf Dauer sowas von langweilig … und die endlos gleichen Vorwürfe à la „Gutmensch, naiv, werd erwachsen“ einfach nur öde und nervtötend. Ich gehe lieber auf meine Weise damit um – und heute stolperte ich über eine Meldung im Standard, die sich mit dem Thema „Hetzer fluten Netz mit Falschmeldungen“ befasst. Ich habe mich davon ein wenig inspirieren lassen und eine kleine Geschichte geschrieben.

Flüchtling findet Hirn

Flüchtlingsmärchenhausen, 3. August 2015

Asylsuchender sucht Asyl in Österreich und findet Gehirn am Straßenrand

Damit hat der junge Hassan S. (voller Name der Redaktion bekannt) aus Damaskus nicht gerechnet: Beim Abendspaziergang durch die gemütliche Zeltstadt stolperte er über einen grauen Klumpen, der im Rinnstein lag. Hassan ließ vor Schreck sein nagelneues Smartphone fallen, als er sich bückte, um die graue Masse näher in Augenschein zu nehmen. Der Klumpen sah widerlich aus, aber Hassan hatte Hunger – vielleicht war es etwas Essbares? Hätte er doch nur sein Lunchpaket nicht in den Mistkübel geworfen!

Mit dem Mittelfinger stupste er die Masse vorsichtig an. Der graue Klumpen schien fast lebendig zu sein, er pulsierte in unregelmäßigen Abständen vor sich hin. Da erkannte der junge, in Markenklamotten gekleidete Asylwerber: Was vor ihm lag, war ein Gehirn!

Hassan zögerte nicht lang. Ihm war klar: Dieses Gehirn durfte er nicht behalten, er musste es unverzüglich bei der Polizei abgeben. Schnell leerte er den Inhalt seines Plastiksackerls, in dem er einige Spenden bei sich trug, auf dem Gehsteig aus. Eh schon wurscht. Dann hob er das Gehirn vorsichtig hoch und legte es behutsam in das Sackerl. Beim Weggehen fiel ihm ein, dass sein Smartphone noch auf dem Boden lag, er hob es auf und schob es in die hintere Hosentasche.

Auf der Polizeiwache war Hochbetrieb. Viele andere Asylwerber hatten ebenfalls Gegenstände, Geldbörserl, Armbanduhren und Reisekoffer gefunden und wollten die Sachen schnellstmöglich abgeben. Hassan drängte sich vor. „Brain, fresh brain!“, rief er so laut er konnte, in der Hoffnung, dass die österreichischen Polizisten ein wenig englisch konnten. Seine Asylwerberkollegen ließen ihn vor, sie erkannten instinktiv, wie brisant die Lage war.

Rasch war Hassan von mehreren Beamten umringt, die alle einen Blick in das Sackerl mit dem originellen Fund werfen wollten. Polizeihauptmeister Hansi L., den die Redaktion später befragte: „Wir ham’s gar nicht glauben können! Ein echtes Gehirn hat der g’funden! Kein Fake!“

Hirnuntersuchung im Wiener AKH

Das Hirn wurde unter großen Sicherheitsvorkehrungen ins AKH gebracht. Eine gründliche Untersuchung sollte Aufschluss über den Eigentümer geben.

Professor M., eine Kapazität auf dem Gebiet der Hirnforschung: „Die bisherigen Untersuchungsergebnisse sind leider niederschmetternd. Wir haben eine ganze Reihe von Tests durchgeführt. Dazu haben wir das Hirn an einen Dummy angeschlossen. Nachdem die Blutversorgung stand und die Nervenbahnen alle aktiviert waren, stellten wir dem Hirn eine Reihe von Aufgaben. So sollten beispielsweise einzelne Finger bewegt werden. Der Dummy hob jedoch jedes Mal den rechten Arm. Dann verlangten wir, dass der Dummy zählen sollte. Beim ersten Versuch kam er bis 3. Wir erhöhten die Blutzufuhr. Jetzt rief der Dummy laut und deutlich: 88! 88! 88!, immer wieder. Im nächsten Schritt legten wir ihm einige Wörtertafeln vor. Wir befürchteten schon das Schlimmste – und so kam es auch: Statt ‚Menschen‘ las der Dummy ‚Pack, ausländisches, Gesocks, Gesindel‘ und Ärgeres. Am Ende der Testreihe röchelte er nur noch. Wir erkannten mit viel Mühe Wörter, die nach ‚Wirtschaftsflüchtling‘ und ‚alle abschieben‘ klangen.

Suche nach dem Hirneigentümer zwecklos

Laut Professor M. ergibt es wenig Sinn, nach dem Eigentümer des Gehirns zu suchen. „Wahrscheinlich vermisst er es nicht einmal“, mit diesen Worten legte M. das Hirn in einen Behälter mit Formaldehyd. „Für die Forschung“, sagte er, „obwohl es da wahrscheinlich nicht mehr viel zu forschen gibt. Dieses Hirn ist eher wertlos.“

Wie die Geschichte für den ehrlichen Hirnfinder Hassan S. ausgegangen ist, war bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt. Wir bitten jedoch unsere Leserinnen und Leser: Passen Sie auf, wo Sie hintreten!