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Überall Jahresrückblicke, soweit das Fernseh-/Internet-/Zeitungsauge reicht, obwohl doch bis Silvester noch Zeit ist; aber warum nicht rechtzeitig damit beginnen? Ich schreibe jetzt auch einen Jahresrückblick, aber einen, der nur einen Teilbereich beschreibt. Nämlich die explosiven Tage 2014.

Es gibt Tage, da brennt die Zündschnur anscheinend schon, bevor du aufstehst. Sogar bevor du aufwachst. Du träumst schlecht, du erwachst gerade noch rechtzeitig, weil die Blase drückt, und schlägst dir den kleinen Zeh am Türpfosten an, aber schon dermaßen feste, dass er sich ratzfatz blaulila verfärbt, und dann stellst du fest, dass es erst halb vier ist. Solche explosiven Tage blieben 2014 bei mir zum Glück aus. Ein Grund zum Jubeln, denn ein Jahr ohne angebrochenen Zeh ist doch schon was Besonderes!

Aber beginnen wir im Frühling. Da stand im März ein Tag auf dem Terminkalender, der durchaus Zündstoff hatte, aber dann doch friedlich über die Bühne ging. Gute Vorbereitung und gedeckelte Emotionen sorgten dafür, dass das Gegenstück zur Hochzeit – nun ja, zwar kein Fest, aber doch irgendwie nett war. Ich beschenkte mich sogar selbst mit einem Scheidungsring. In den USA wird dies allmählich Trend, und selbst wenn man nicht jeden Schmarr’n von jenseits des großen Teichs übernehmen muss, fand ich die Idee doch witzig. Im Drogeriemarkt gibt es so Billig-Schmuck, ich fand einen hübschen mit Steinchen für zwei Euro fünfundneunzig, der erfüllte seinen Zweck voll und ganz. Ich trage eh nie Ringe, wozu dann mehr Geld ausgeben? Ach ja, und falls DU, ja genau DU, jemals das hier lesen solltest, dann gebe ich dir mit: Aller guten Dinge sind drei. Mach’s besser als bei den beiden ersten Malen.

Im Sommer ereignete sich dann tatsächlich eine Explosion. Kurze Vorgeschichte: Ich war beim Möbelschweden, es war heiß, ich kaufte ein Holunder-irgendwas-Mixgetränk. Leider schmeckte es scheußlich, ich hätte es gleich wegwerfen sollen. Aber gekauft ist gekauft, und gegen den Durst half es einigermaßen. Die fast leere Flasche packte ich in den Rucksack, zu Hause stellte ich sie auf den Esstisch, der ungefähr 50 cm von meinem Schreibtisch entfernt ist. Dumme Angewohnheit von mir, Gläser, Tassen und Flaschen nicht leerzutrinken, es bleibt immer ein Rest drin. So auch in dieser Flasche. Sie störte nicht weiter, ich hatte viel zu tun, sie stand da einfach nur so auf dem Tisch herum. Irgendwann, paar Tage später, saß ich am Schreibtisch und arbeitete und dachte nichts Schlimmes, als 50 cm neben mir der Flaschenstöpsel mit einem gewaltigen Knall (so ähnlich stelle ich mir einen Pistolenschuss vor) aus der Flasche flog. Ich vermutete, hinter einen Schrank, er blieb lange verschollen. Der Minirest Flüssigkeit in der Flasche war komplett vergoren, schäumte noch ein bisschen vor sich hin und roch alkoholisch. Zum Glück war nur noch so wenig drin, dass es nur den Stöpsel aus der Flasche schleuderte und nicht auch noch den Inhalt. Das Ganze passierte am Vormittag, am Abend konnte ich auf dem rechten Ohr wieder was hören.

Im Herbst explodierte nichts, dafür wackelte das Haus. Das hatte zwei Gründe. Zwei Häuser weiter ist eine Baustelle, dort werkelten die Bauarbeiter irgendwann mit einer riesengroßen Rüttelmaschine herum. Gleichzeitig fanden in der Parallelgasse Probebohrungen für die U2 statt. Welches dieser Ereignisse genau verantwortlich war, kann ich nicht sagen, aber in meiner Wohnung waren die Erschütterungen deutlich spürbar. Ich dachte an die Hauseinstürze, die man sonst immer nur im Fernsehen sieht, und packte vorsichtshalber den Rucksack um: Überlebenswichtige Dinge kamen hinein, persönliche Papiere und Klamotten zum Wechseln. Der Fluchtrucksack stand jetzt griffbereit neben der Wohnungstür. Sollte ich noch einen zweiten packen und ans Fenster stellen, falls ich mich abseilen müsste? Na, so schlimm würde es bestimmt nicht kommen. Vielleicht würde auch rechtzeitig Feuerwehrmann Sam auftauchen und mich retten. Wenn es nach meinen Enkeln geht, brauche ich vor gar nichts Angst zu haben. Sie singen mir laut und fast richtig vor: Was immer dich bedroht, Sam hilft dir in der Not!

Jetzt ist schon fast Winter, wenn auch nur dem Kalender nach, der Schnee fehlt noch. Überall riecht es nach Advent, die Werbung wirbt mit stiller Zeit, aber die Realität sieht anders aus. Auf der Baustelle geht es immer noch laut zu, hin und wieder treffen nachts zwischen ein und drei Uhr Lastwagen mit Baumaterial ein. Flutlicht erhellt die Gasse, mit großem Krach wird abgeladen. Immerhin, keine nächtlichen Explosionen. Die hoffentlich! letzte Explosion des Jahres 2014 ereignete sich letzte Woche am sehr frühen Morgen.

Und das ging so:

Ich wachte sehr, sehr früh auf und fühlte mich irgendwie gar nicht gut. Ein Tag, an dem man besser im Bett bleiben sollte, aber es wartete Arbeit und ich wusste, wenn ich jetzt noch mal einschlief, dann war der Tag gelaufen, also stand ich auf. Kaffee kochen ging noch, dann festgestellt, dass Zigaretten alle. Ich fand noch eine halbgerauchte im Aschenbecher. Sollte aufhören mit dem Scheiß. Meine Trafik würde erst in zwei Stunden öffnen, Kleingeld für den Automaten war keins im Haus. Ich beschloss also, die Zeit bis dahin mit Aufräumen zu verbringen.

Jetzt muss man sich das so vorstellen: Ich wohne ja sehr eingeschränkt. Kochnische im Flur, zwei ehemalige umgestrichene Kellerregale aus Holz ebenfalls im Flur, diese beherbergen meine Küchenutensilien und anderes. Daneben steht eine halbhohe, schmale Kommode mit Schubladen, auf der hatte ich weihnachtlich dekoriert: Gläser mit Dekosand, Zweigen und Kugeln, kleines Glas mit Dekosand und Teelicht drin. Mein Sparschwein mit der Aufschrift „Arme Sau“, ein offenes Fläschchen mit Duftöl und ein neugekaufter Küchenwecker mit einem Reh obendrauf ergänzten das Arrangement. Oben auf dem angrenzenden Holzregal standen in kunstvoller pyramidenförmiger Stapelung sechs ehemalige Joghurtgläser, in denen sind Linsen, Couscous, Kichererbsen, Hirse etc. Quer über die beiden Regale gespannt: Ein „Adventskalender“ aus Filzsäckchen, bereits leer gefuttert, obwohl der Advent noch nicht mal halb vorbei war. So leer sah er traurig aus, ich beschloss, ihn zu entfernen. Angebracht war er mit Reißnägeln. Er ging nicht ohne weiteres ab. Ich zog und zerrte, ruckelte und schimpfte, und dann: KRACHBUMMPENGWÄÄÄÄH!

Die Gläserpyramide geriet ins Schwanken, stürzte herab, zertrümmerte sämtliche Gläser mit Dekosand, schlug dem Sparschwein ein Ohr ab, warf das Fläschchen mit Duftöl um, das Glas mit Hirse explodierte förmlich, die Kugeln waren – natürlich!!! aus echtem Glas, Glassplitter, Hirse und Dekosand spritzten bis in den hintersten Winkel, Duftöl tropfte über alles.

Zwei Stunden später. ALLES aufgeräumt, geputzt, Glassplitter, Dekosand und Hirse entsorgt, dem Schwein das Ohr wieder angeklebt, Gläserpyramide an einem sichereren Ort neu aufgestellt (ohne Hirseglas), Zigaretten gekauft, nochmal Kaffee gekocht. Guten Morgen!

PS: Beim Großputz tauchte unter dem rechten Holzregal der Stöpsel von der Holunder-irgendwas-Mixgetränk-Flasche auf. Alles gut!